Was von der Pandemie übrigbleibt

Hygiene neu gedacht

© iStock/Maridav
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14.06.2021

Mit sinkenden Infektionszahlen und steigenden Impfraten keimt die Hoffnung, dass eine Rückkehr zur Prä-Corona-Normalität möglich ist. In der Online-Veranstaltung „Virensichere Produktion & virensichere Veranstaltungen“, organisiert von der Nationalen Clusterplattform mit Unterstützung durch den Medizintechnik-Cluster, wurde anhand von Experteninputs und Best Practice Beispielen aus Forschung und Wirtschaft aufgezeigt, wie wir in Zukunft mit Viren umgehen können.

Der Mensch ist innen und außen mit mehr als 100 Billionen Keimen besiedelt. Die tagtägliche Konfrontation mit Viren und Bakterien dient abseits einer Pandemie der Gesunderhaltung, denn dadurch entwickelt der Körper Abwehrmechanismen. COVID-19 hat dieses Gleichgewicht aus der Bahn geworfen. Umfangreiche Maßnahmen wurden notwendig, um die Ausbreitung einzudämmen. „Wenn wir zur Normalität zurückkehren wollen, müssen wir zwischen Alltags- und Krankenhausbedingungen unterscheiden“, stellt die Hygieneexpertin Astrid Mayr von der Medizinischen Universität Innsbruck fest. „Das Bewusstsein wurde gestärkt, dass auch in einer hochmodernen Welt nicht sichtbare Erreger uns das Leben schwer machen können, gewisse Maßnahmen werden also bleiben. So einfach wie effektiv ist etwa das Händewaschen oder das Lüften bei Veranstaltungen, denn das Frischluftverdünnen schützt nicht nur vor Erregern, sondern ist auch für die Sauerstoffzufuhr notwendig. Der Mund-Nasen-Schutz ist in Zukunft aber aus meiner Sicht zu viel des Guten, da eine ständige Barriere auch für schlechtere Immunabwehr sorgt. Ebenso werden Schutzkleidung und Flächenreinigung sowie -desinfektion nur im Krankenhaus erforderlich sein.“


Virensicherheit im Arbeitsrecht

„Seit dem Auftreten von COVID-19 hat sich aus arbeitsrechtlicher Perspektive an den grundlegenden Maßnahmen - Abstand, Hygiene und Lüftung - nichts geändert.“ weiß Ernst Piller vom Bundesministerium für Arbeit. „Diese sind für Betriebe auch weiterhin nötig, werden aber um Maßnahmen zum Aufrechterhalten des Betriebs bei einem Ausbruch ergänzt. Seit April 2020 wurden auch die Überlegungen zur Lüftung intensiviert.“ Viele Maßnahmen sind je nach Gegebenheiten im Betrieb zu beurteilen. So lässt sich der Schutzabstand in engen Räumen, Kundenbereichen oder bei Mitarbeiter*innen im Außendienst nicht immer gewährleisten. Eine Änderung der Arbeitsabläufe könne für Verbesserungen sorgen, indem Zeiten wenn möglich gestaffelt werden: größere Intervalle in der Mittagspause sorgen für einen überschaubareren Strom von Menschen, ebenso könne man Arbeitsbeginn und -ende staffeln. „Die Maßnahmen gibt es allerdings nicht gratis. Ein Effizienzverlust kostet den Betrieben Geld“, gibt Piller zu bedenken. Eine sehr sinnvolle Maßnahme ist auch weiterhin die Verdünnung von belasteter Luft. Die Lüftung sollte erhöht, die Umluftanteile hingegen reduziert werden.

 

Lüften und Masken halbieren das Risiko

Wie vorhersagbar das aerosolinduzierte Infektionsrisiko in Räumen ist, haben Stefan Radl vom Institut für Prozess- und Partikeltechnik der TU Graz und Ortwin Ertl, Geschäftsführer der Annikki GmbH, beobachtet. Ertl hatte schon im Frühjahr 2020 den Verdacht, dass Aerosole in der Übertragung eine große Rolle spielen. „Die Struktur des Coronavirus mit seiner Lipidhülle und den markanten Spike-Proteinen ist sehr instabil. Gerade die Stabilität ist aber für eine Infektion von Bedeutung. Temperatur, Luftfeuchtigkeit und pH-Wert sind entscheidende Faktoren. Alle wesentlichen Daten deuten darauf hin, dass das Virus durch bestimmte feste Aerosole stabilisiert wird und dadurch regional abgegrenzt hohe Infektionszahlen entstehen.“ Dass die relative Feuchte einen Einfluss auf die Stabilität der luftgetragenen Viren hat, hat Stefan Radl anhand diverser Modelle festgestellt. Um eine Partikelkonzentration möglichst genau vorherzusagen, stehen verschiedene Methoden zur Risikobewertung bereit. Neben epidemiologischen Modellen, wie wir sie aus Prognosen zur Entwicklung der Fallzahlen kennen, stehen detaillierte CFD- (Computational Fluid Dynamics) sowie raumbasierte Modelle zur Verfügung. Letztere gehen davon aus, dass nur eine mittlere Konzentration von Viren berechnet werden kann. Maßnahmen wie Masken, Luftreiniger und die Aktivität der Personen haben entscheidende Effekte. „Durch Lüften, Tragen von Masken und nicht zu starkes Atmen kann das Risiko halbiert werden und somit eine signifikante Reduktion erzielt werden. Die Aufenthaltszeit und die Personenaktivität sind wichtige Faktoren, das absolute Risiko vorherzusagen ist allerdings unmöglich. Für die Stabilisierung und Inaktivierung von Viren in Aerosolen gibt es aktuell zu wenige Daten. Modelle liefern aber objektive Daten, die Entscheidungen unterstützen können.“ weiß Radl. Detaillierte Informationen zu Luft-Filtertechnik in Innenräumen zum Schutz vor COVID-19 finden sich im aktuellen Positionspapier (siehe Kasten).

 

Licht, Luft, Oberflächen und Tests: Beispiele aus der Praxis

In fünfminütigen Pitches wurden im Anschluss an die Experteninputs neun Best-Practice-Beispiele vorgestellt. Die Kappa Filter Systems GmbH präsentierte aktuelle Möglichkeiten zur Filtertechnik, das Management Center Innsbruck und die Bilton International GmbH beschäftigen sich unabhängig von einander mit dem Thema Licht zur Virenreduktion. Ebenfalls zwei Praxisbeispiele wurden zu virusresistenten Oberflächen erbracht, einerseits von der Rübig GmbH & Co KG, andererseits von der Inocon Technologie GmbH. Mit der Simulation von Besucherströmen beschäftigt sich die Bernard Gruppe ZT GmbH. Wie durch das Rastern und Testen von Abwasser Infektionszahlen bestimmt werden können, zeigte ein Beitrag des Instituts für Mikrobiologie der Universität Innsbruck. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau fasste die COVID-Präventions-, Risikomanagement- und Hygienekonzepte zusammen und abschließend klärte die OFI Technologie & Innovation GmbH über Gütesiegel für Gesamtkonzepte auf. Im Anschluss nutzten die rund 40 Teilnehmer*innen der Veranstaltung die Möglichkeit, Fragen zu den Vorträgen zu stellen und neue Projektideen zu diskutieren.

 

Über das Expertenforum

Das Expertenforum Filtertechnologien gegen COVID-19 hat sich aus der Initiative des Silicon Alps Clusters und in der weiteren Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Medizintechnik-Cluster und der Human.technology Styria GmbH zur fundierten Information und Beratung der Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft gegründet. Im aktuellen Positionspapier liefert das Expertenforum für Filtertechnologien einen wissenschaftlich fundierten und praktischen Standpunkt mit klaren Handlungsempfehlungen, um das öffentliche Leben in Innenräumen für die Zukunft nachhaltig sicher zu machen – mit keinem geringeren Ziel als weitere wirtschaftliche Lockdowns zu verhindern. Das Dokument steht der Öffentlichkeit frei zur Verfügung und bietet eine Zusammenfassung wissenschaftlicher Daten, Informationen und klarer Empfehlungen.