Siemens Healthcare revolutioniert mit Hollywood-Filmtechniken die Bildgebung in der Medizintechnik

Mann mit VR-Brille vor Körper
Dreidimensionale Darstellung der menschlichen Anatomie im Deep Space des Ars Electronica Centers mit dem Prototypen des „Cinematic Rendering“. © Florian Voggeneder
Cinematic Rendering Vorstellung im AEC © Florian Voggeneder

15.12.2016

Wer kennt ihn nicht?! Gollum, das reptilienartige Wesen aus der Unterwelt aus „Der Herr der Ringe“ – obwohl die Figur des Gollum durch moderne Filmtechniken erst nachträglich in die Szenen eingefügt wurde, wirkt er auf der Leinwand völlig natürlich. Genau diese Hollywood-Filmtechnik der „bildbasierten Beleuchtungsberechnung“ – bei der mittels Kugelkamera Panoramen mit der aktuellen Lichtumgebung erfasst werden, um diese später auf alle nachträglich hinzugefügten Elemente anzuwenden – inspirierte die Forscher von Siemens Healthcare zur Entwicklung der revolutionären Software in der Bildgebung. „Cinematic Rendering“ nennt sich der Software-Prototyp, mit der medizinische Bilddaten aus CT und MRT fotorealistisch dreidimensional visualisiert werden. Prof. Dr. Franz Fellner (Zentrales Radiologie Institut, Kepler Universitätsklinikum) und Dr. Klaus Engel (Principal Key Expert Visualization, Siemens Healthcare) stellen die neue Software vor und sprechen über ihre Visionen, Projekte und die ungeahnten Möglichkeiten für Mediziner und Patienten.

Die Software „Cinematic Rendering“ befindet sich aktuell im Prototyp-Stadium und steht Forschern bereits auf der Plattform syngo.via Frontier zur Verfügung. Wann begannen die Entwicklungen bei Siemens Healthcare und wie funktioniert die Software genau?

Dr. Klaus Engel:Die bisherigen Bildgebungsverfahren sind oftmals schwer lesbar und haben Schatten und Tiefe bisher kaum beachtet. Die Forscher von Siemens Healthcare arbeiteten jahrelang an der Vision, Bilder des inneren menschlichen Körpers so zu zeigen, wie sie sonst nur ein Chirurg beim Öffnen des Körpers bei einer Operation sieht, jedoch ästhetisch, wissenschaftlich und kunstvoll wie in einem Anatomieatlas. Um dieses Ergebnis zu erzielen, wurden für die Cinematic-Rendering-Software hochkomplexe Algorithmen geschaffen, die aus CT- oder MRT- Untersuchungen dreidimensionale Visualisierungen des lebendigen Vorbilds erstellen. Man kann die Daten segmentieren, hochrechnen und zu Knochen, Haut, Organen und Blut modellieren.

Die Software soll auch auf den Medizintechnik-Markt kommen. Welche Verbesserungen und Möglichkeiten ergeben sich dadurch in der Bildgebung? Und wie findet die Software am Kepler Universitätsklinikum Gebrauch?

Prof. Dr. Franz Fellner: Als Radiologe habe ich nun ganz neue Möglichkeiten, Strukturen des menschlichen Körpers dreidimensional darzustellen. Die Bilder lassen sich sogar in Echtzeit kippen, drehen und in der Darstellungsart verändern (Kontraständerungen). Cinematic Rendering wird sicher im klinischen Bereich interessant für Chirurgen werden, da die Darstellung im Gegensatz zu bisherigen 3D-Visualisierungtechniken extrem realistisch ist. Darüber hinaus wird vielleicht in Zukunft die Kommunikation zwischen Mediziner und Patient erleichtert, da man dem Patienten erklären und besser zeigen kann, was mit ihm geschieht. Das Faszinierende an Cinematic Rendering ist, dass es sich dabei um keine Untersuchungsmethode handelt, sondern „nur“ um ein Nachbearbeitungsprogramm, das Standard-Untersuchungen verwendet. Der Patient muss also keiner zusätzlichen Strahlenbelastung ausgesetzt werden und die Gesundheitseinrichtungen und Mediziner können lediglich mit der Anschaffung der Software diese neue Art der Bildgebung nutzen. Dr. Engel und ich präsentieren die Software mit den Bildern des inneren menschlichen Körpers seit einiger Zeit in einer einzigartigen Vorführung im Deep Space des Ars Electronica Center in Linz. Zudem ermöglicht diese neue Methode, detailliert die Anatomie am lebenden Menschen zu studieren, was ganz neue Möglichkeiten im Bereich der Lehre eröffnet. Seit September halte ich bereits meine Basisanatomie-Vorlesungen im Deep Space unter Einsatz des Cinematic Rendering ab. So können meine Studenten am „realen lebenden Patienten“ in 3D lernen und den menschlichen Körper besser begreifen.

Ihr gemeinsames Projekt „Cinematic Rendering – die virtuelle Reise ins Innere des Menschen“ ist ein tolles Beispiel dafür, wie wichtig die Kooperation zwischen Unternehmen und Medizinern ist, damit neue Innovationen in der Medizintechnik entstehen können. Was möchten Sie den Medizinern und Unternehmen mit auf den Weg geben?

Prof. Dr. Franz Fellner: Wir haben in Oberösterreich viele innovative IT- und Medizintechnik Unternehmen und Mediziner. Der Medizintechnik-Cluster fokussiert sich mit der Initiative Digital MedTech (IDM) genau auf diese Vernetzung von IT- und Medizintechnik-Unternehmen mit Gesundheitseinrichtungen und unterstützt dies mit unterschiedlichen Netzwerkveranstaltungen und Dienstleistungen. Dieses Angebot gilt es in Oberösterreich noch intensiver zu nutzen.


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