05.01.2022
3D-Druck ist einer der größten Hoffnungsträger in der Medizintechnik. Die Einsatzmöglichkeiten der additiven Fertigung sind fast unbegrenzt. Das bewies auch das M3d+it-Symposium, das nach zwei erfolgreichen physischen Veranstaltungen in Wien nun in diesem Jahr in virtueller Form über die Bühne ging. Fast 40 Referent:innen aus den verschiedensten Disziplinen präsentierten ihre Forschungsergebnisse, Projekte und Visionen rund um den 3D-Druck. Organisiert wurde das Event von PROFACTOR und der Johannes Kepler Universität Linz gemeinsam mit CEITEC aus Brünn und der Medizinischen Universität Wien. Der Medizintechnik-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria unterstützte als Kooperationspartner.
Einmal mehr musste ein gut geplantes Event in den virtuellen Raum verlagert werden. Die Organisatoren des M3d+it-Symposiums freuten sich dennoch über die rege Teilnahme von insgesamt 180 Personen aus aller Welt. Das Programm ließ keinen Einsatzbereich des 3D-Drucks in der Medizintechnik aus: Von druckfrischer Ernährung über Zahnersatz bis hin zu orthopädischen Einlegesohlen wurden Materialien, Design und Modellbildung unter die Lupe genommen. Mehrere Pausen zwischen den Vorträgen gaben dem Publikum die Möglichkeit, sich virtuell zu vernetzen und auszutauschen.
Im ersten Vortrag von Professor Chee Kai Chua der Singapore University of Technology and Design (SUTD) wurde gleich das anschauliche Thema 3D-Lebensmitteldruck, auch bekannt als Food Layered Manufacturing, aufgegriffen. Es handelt sich dabei um einen digitalen, robotergesteuerten Konstruktionsprozess, mit dem komplexe 3D-Lebensmittelprodukte Schicht für Schicht aufgebaut werden können. Lebensmittel können dadurch so entworfen und hergestellt werden, dass sie den individuellen Bedürfnissen in Bezug auf den Gesundheitszustand und die körperliche Aktivität entsprechen, indem die Menge an Druckmaterialien und der Nährstoffgehalt kontrolliert werden. Es ergeben sich laut Prof. Chua noch weitere Vorteile, denn mit 3D-Lebensmitteldruck lässt sich die Versorgungskette vereinfachen, die Haltbarkeit verlängern, die Lebensmittelverschwendung reduzieren und sogar das Upcycling von Lebensmitteln ermöglichen. Natürlich unterscheiden sich die Rohmaterialien nach ihrer Drucktauglichkeit. So sind Milchprodukte wie Schokolade oder Käse sehr gut zu verarbeiten, wohingegen Gemüse, Obst, Fleisch und Reis noch Schwierigkeiten bereiten. Experimente mit Insekten, Algen oder Pilzen sind ebenfalls im Kommen. Prof. Chua sieht im 3D-Lebensmitteldruck die Zukunft: „Mein Traum ist, dass der Tag kommen wird, an dem der 3D-Lebensmitteldrucker ähnlich wie eine Kaffeemaschine täglich im Gebrauch ist. Es wird Drucker für jedes Budget geben, für zu Hause oder die Schulkantine, und man wird Rezepte ausprobieren. Es wird so einfach werden, wie eine Kapsel in den Kaffeeautomaten zu stecken“.
Professor Giorgio De Pascale von POLITO stellte das Design für additive Fertigung am Beispiel Leichtbau- und biomechanische Systeme vor. Aus seiner Sicht umfasst eine starke Designmethode die Modellierung und Simulation – analytisch und numerisch – sowie eine experimentelle Validierung. Strukturelle Beziehungen werden dabei zwischen Ausgangsmaterialien, Einzelzelle und globalem Gitter hergestellt. Abgerundet wurde der Vortrag durch eine Fallstudie, in der orthopädische Einlagen designt wurden. Jan Schrooten, Mitgründer und Geschäftsführer von Antleron, zeigte, wie Industrie 4.0 die Medizin der Zukunft einleiten kann. Seine Vision geht weg von der These „one therapy fits all“ hin zur personalisierten Fertigung. Quality-by-Design und Künstliche Intelligenz werden dabei genutzt, um die Kerntechnologien in bahnbrechende Arbeitsabläufe zu übersetzen, wodurch Zellen in Therapien verwandelt werden. Der Ansatz ist für einen Fertigungsworkflow optimiert, der mit einem passenden Qualitätskontrollsystem gesteuert wird, um Risiken zu mindern.
Die Anwendungsmöglichkeiten von 3D-Druck in der Orthopädie wurden von Martin Petraschka präsentiert. In seinem Unternehmen Kerkoc werden traditionelle Orthopädietechniken mit dem Wissen von Industriedesignern verknüpft, um die Kerkoc 3D-Orthese zu entwickeln. Mit neuester Scantechnologie bleibt das Grundgerüst zur weiteren Verarbeitung erhalten, um daraufhin mithilfe von spezieller Software eine Orthese zu designen, die nach individuellen Maßen konstruiert wird. Nachdem die CAD-Konstruktion in ein druckbares Format gebracht wurde, wird gedruckt und abschließend von einem Orthopädietechniker geprüft und angepasst. Die Anfertigungszeit funktioniert präzise und schnell, das Design ist individuell und die therapeutischen Ergebnisse optimal. Gleichzeitig wird durch den effizienten Materialeinsatz ein Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet.
Christoph Staudigl vom Kepler Universitätsklinikum Linz stellte dem Publikum das Projekt INKplant vor. Es geht dabei um einen neuartigen Ansatz, um Zahnersatz auch für Menschen zugänglich zu machen, die in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand sind. Biokompatible subperiostale Implantate könnten die Behandlungsdauer, Komplikationen und das Periimplantitis-Risiko reduzieren. Subperiostale Implantate könnten zudem eine Alternative zu komplizierten Augmentationsverfahren bei gesunden bzw. nicht beeinträchtigten Patient:innen darstellen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte Animesh Jha von der University of Leeds. Mit I-SMarD sollen Zahnimplantate von einem „Stück Metall“, das verlorene Zähne ersetzt, in ein funktionelles, personalisiertes „Therapiegerät“ verwandelt werden, das den Patient:innen einen reibungslosen Rehabilitationsprozess und ein langfristiges Überleben des Implantats sichert.
Ein Projekt, das in Oberösterreich bereits hohe Bekanntheit erlangt hat, wurde von Andreas Schrempf von der FH Oberösterreich beschrieben. MEDUSA (Medical EDUcation in Surgical Aneurysm clipping) ist ein revolutionärer hybrider Simulator für Neurochirurg:innen, mit dem Operationen an Blutgefäßen im Gehirn trainiert werden können. Die Kombination aus 3D gedruckten und gegossenen Modellen mit Virtual Reality erlaubt das Üben mit echten chirurgischen Instrumenten und schöpft gleichzeitig die Variabilität und Überprüfbarkeit der virtuellen Simulation aus.
Für Professor Hidemitsu Furukawa reicht der dreidimensionale Raum nicht mehr aus, denn seine Forschung bezieht sich bereits auf 4D-Druck. Der Unterschied zu 3D besteht dabei im Einsatz besonderer Materialien und Designs. Prof. Furukawa benutzt Hydrogele, um ein weiches Material zu haben, das auf die methodische Anwendung von Quellung und Wärme reagiert. Die gedruckten Objekte reagieren somit auf Stimuli und weisen Formgedächtniseigenschaften auf. Hydrogele sind dafür gut geeignet, da sie besonders zäh und flexibel sind und damit auch den Weichgeweben des menschlichen Körpers ähneln.
Auf dem M3d+it-Symposium wurden noch viele weitere Forschungsergebnisse und Innovationen vorgestellt. 3D-Druck wird während und auch nach der Pandemie einen hohen Stellenwert in der Medizintechnik einnehmen. Der Austausch über bahnbrechender Erfolge lässt sich somit auch für das nächste M3d+it-Event erwarten.
Das könnte Sie auch interessieren:
Rudolf Trauner Preis
für FH-Professor
Gleichbleibende Qualität
durch Big Data
FHOÖ Studierende gewinnen
WTUN-Hackathon 2023