21.11.2023
Am 8. November 2023 wurde bei den Regulatory.Affairs Klartext gesprochen, um sich im Dschungel der Regularien zurechtzufinden. Das Thema wurde von Künstlicher Intelligenz über Fristen bis hin zu Praxisbeispielen intensiv beleuchtet. Eine Erkenntnis, die sich durch alle Vorträge zog: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, denn jede Fußnote und jeder Anhang zählt.
Nach der Begrüßung durch Projektmanagerin Martha Wagner vom Medizintechnik-Cluster startete Martin Schmid, Gründer und Geschäftsführer der en.co.tec. Er weiß aus zahlreichen Audits zu Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika: Ein kritischer Flaschenhals bei Künstlicher Intelligenz (KI) ist die Datenqualität. Im Unterschied zu konventioneller Software, die auf Algorithmen basiert, ist KI auf Modellen aufgebaut, die aus einer Fülle von Test- und Trainingsdaten lernen. Wenn ständig weitergelernt wird, kann das Ergebnis besser oder schlechter werden.
In der Medizintechnik muss aber mit „erklärbaren“ Daten gearbeitet werden, die immer dasselbe Ergebnis liefern. Wiederholbarkeit, Zuverlässigkeit und Leistung sind unabdingbar für die Patientensicherheit. Der regulatorische Rahmen gibt zudem die Entwicklungsvalidierung vor, die nach geplanten und dokumentierten Regelungen durchgeführt wird.
„Wir brauchen einen rechtlichen Rahmen, der international gilt. Ich bin fest davon überzeugt, dass es durch KI enorme Verbesserungen geben wird“, sagt Schmid.
2962 – auf diese Zahl hat die österreichische Medizintechnikbranche lange gewartet und Ende Dezember 2022 endlich erhalten. Es handelt sich dabei um die Zulassungsnummer für die Benannte Stelle gemäß der Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR).
Herbert Stekel von QMD Services konnte wertvolle Tipps für die Antragseinreichung vermitteln: „Starten Sie jetzt, die Übergangsfristen sind nur scheinbar lange. Stellen Sie sich zuallererst die Frage: Was ist die Zweckbestimmung meines Produkts? Anschließend klären Sie: In welcher Risikoklasse befinde ich mich? Wie reif ist die technische Dokumentation? Haben schon andere Unternehmen ähnliche Produkte zertifiziert? Unzureichende oder fehlende Informationen sind ein Problem. Lesen Sie die Definitionen genau durch – und zwar bis zum Ende.“
Alastair Walker von der Lorit Consultancy GmbH berichtete über funktionale Sicherheit und welche Folgen unzureichende Maßnahmen haben können. Am Beispiel eines einfachen Blutdruckmessgeräts wurde schnell deutlich, welche schwerwiegenden Komplikationen auftreten können, wenn die Pumpe nicht entsprechend reagiert. Leider wird das Thema in der Medizintechnik bisher nur oberflächlich gestreift. Zunächst ist Redundanz hilfreich, also sicherheitstechnische Systeme mehrfach parallel auszulegen, damit eine weitere Komponente die Ausführung gewährleistet, wenn eine andere ausfällt. Noch besser wird es, wenn man die Sicherheit durch Diversität erhöht.
Ash Noushabadi von GMIS berichtete in seinem Vortrag über FDA-Inspektionen und gab einen Überblick über den gesamten Freigabeprozess der Level 1 bis 3 und den speziellen Inspektionsarten. Ein häufiges Problem sind fehlende oder unzureichende Verfahren.
„Rechnen Sie mit einem Warnschreiben, wenn Sie es versäumen, innerhalb von zehn Jahren einen Korrektur- und Entfernungsbericht einzureichen, wenn er eine Korrekturmaßnahme der Klasse 1 oder 2 beinhaltet oder wenn bei der Inspektion MDR-Verstöße aufgedeckt wurden“, weiß Noushabadi aus Erfahrung.
Die meisten Fristen umfassen je nach Aufgabe zwischen fünf Werktagen und 30 Kalendertagen, für Nachkontrollen bleiben drei bis sechs Monate.
Die XUND Solutions GmbH hat einen Symptomcheck entwickelt, der in Form eines Chatbots die wahrscheinlichsten Ursachen für Symptome finden soll und erste Empfehlungen gibt. Für dieses Klasse IIa-Medizinprodukt wurde 2023 eine klinische Bewertung durchgeführt. Sophie Pingitzer, Head of Quality & Regulatory Affairs bei XUND, empfiehlt, jede Vorgehensweise klar zu beschreiben und auch die Liste von allen inkludierten und ausgeschlossenen Artikeln der Benannten Stelle zu schicken, und zwar nach Möglichkeit als Volltext.
„Es ist sehr schwer das alles zu rekonstruieren, wenn man es erst nachträglich macht, also sollte man gleich von Anfang an daran denken“, rät die Expertin.
Noch komplizierter wird es, wenn sich die Produktion nicht im Haus befindet, sondern ausgelagert wird. Surgebright GmbH hat diese Hürde erfolgreich gemeistert.
Yannik Rehberger, zuständig für Regulatory Affairs & das Qualitätsmanagement, gab Praxiseinblicke, wie man Risiken durch frühzeitige Kontrolle meistert: „Das Ziel ist die Erschaffung einer klaren Anforderung an Lohnhersteller. Das ist wie ein Kochrezept. Wenn man genau weiß, was man braucht, gibt es keine Probleme. Mit einer Risikominimierung durch eine hundertprozentige Kontrolle hat man bei der Benannten Stelle die besten Chancen.“