28.01.2022
Auch in der Gesundheitswirtschaft wird es immer dringlicher, auf Nachhaltigkeit zu achten. Fachspezifische Technik muss recyclingfähig werden, bei medizinischen Hilfsgeräten steht die energieeffiziente Produktion im Vordergrund, der Einsatz von alternativen Materialien wird zunehmend zu einem Gebot der Stunde.
Der Medizintechnik-Cluster hat es sich zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit den Partnerunternehmen die Weichen für eine lebenswerte Zukunft zu stellen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welchen Beitrag die Medizintechnik und das Gesundheitswesen generell zur Klimaschonung leisten können.
Eine OECD-Studie aus dem Jahr 2019 ließ die Alarmglocken schrillen: Im Schnitt ist das Gesundheitssystem der größte CO2 -Emittent unter allen Dienstleistungssektoren. In Österreich verursachen Krankenhäuser fast ein Drittel des „Health Footprints“, 18 % entfallen auf den ambulanten Versorgungsbereich. Ambulant abgegebene medizinische Produkte und Arzneimittel machen weitere 22 % aus. „Wenn die Menschheit nicht aufpasst, verspielt sie ihre Zukunft“, so drastisch sehen viele Wissenschaftler die schleppende Herangehensweise von Politik und Wirtschaft, wenn es um die notwendigen Veränderungen geht. Denn niemand wird den Klimawandel mit einem „Augen-zu-und-durch“ aufhalten können.
Das Thema Nachhaltigkeit ist eine Herausforderung für den Cluster und dessen Partnerunternehmen aus dem Gesundheitswesen sowie Hersteller von Medizintechnik und Zuliefererbetrieben. Dabei drängen sich folgende Fragen auf: Welche spannenden neuen Materialien stehen zur Verfügung? Wo gibt es bereits innovative Projekte dazu? Und welche Fördermöglichkeiten bieten sich für neue Projektideen? Ein Wechsel der Perspektive kann manchmal hilfreich sein. Gemeinsam mit renommierten Experten untersucht das MTC-Team die Möglichkeiten für eine ressourcenschonende Weiterentwicklung in der Medizin(technik).
Experten schätzen, dass etwa 90 % der Abfälle von Medizinprodukten aus Einwegprodukten oder nur einmal verwendbaren Komponenten bestehen. Rund ein Viertel aller in Krankenhäusern anfallenden Abfälle enthalten Kunststoff. Die Kontaminierung durch Blut, Sekrete und pathogene Erreger macht die Reduzierung von Kunststoffabfällen und die Minimierung des CO2-Fußabdrucks im Gesundheitssektor schwieriger als in anderen Branchen. Abfälle aus Spitälern können in manchen Fällen ein ernsthaftes Risiko für die Übertragung von Krankheiten darstellen. Eine ordnungsgemäße Abfallbewirtschaftung ist daher für die Infektionskontrolle von entscheidender Bedeutung. Laut einer Studie des Fraunhofer Institutes verursacht der deutsche Gesundheitssektor, d. h. die stationäre und ambulante Leistungserbringung, einen jährlichen Rohstoffkonsum von ca. 107 Millionen Tonnen. Dabei stammt etwa ein Drittel aus heimischer Rohstoffentnahme und zwei Drittel gehen auf Importe zurück. Die Experten haben errechnet, dass rund fünf Prozent des gesamten Rohstoffkonsums in Deutschland auf Dienstleistungen des Gesundheitssektors entfallen.
In der Medizin hielten Kunststoffe im Laufe der vergangenen 70 Jahre rasanten Einzug. Ob im Bereich medizintechnischer Produkte – wie einem modernen Hybrid-OP – oder in Form von sterilen Verpackungen und Schutzausrüstungen. Der Benefit dabei waren und sind Verbesserungen in der Erstversorgung, Untersuchung und Diagnostik, Therapie, Verkürzung der Spitalsaufenthalte und ein reduziertes Infektionsrisiko. Im Umkehrschluss stiegen die Anforderungen an geordnete Entsorgung in den Spitälern. Dies ist auch wichtig, um den Recyclinganteil zu erhöhen. Hinsichtlich antimikrobieller Beschichtungen, die eine Anwendung von Recyclingmaterialien im medizinischen Bereich zulassen würden, gibt es jedoch noch hohen Innovationsbedarf. Silberbeschichtungen, Nachbau von Haifischhaut und der Einsatz anderer mikrobieller Stoffe können die sterilen Verpackungen bislang nicht kompensieren.
In Europa wird traditionell die Verbrennung eingesetzt, um das Volumen medizinischer Abfälle zu reduzieren und biologisch gefährliche Materialien zu vernichten. Bei diesem Verfahren werden Lachgas und bekannte Karzinogene freigesetzt. In der Vergangenheit wurden auch die Sterilisation und die Wiederaufbereitung erprobt. Die Sterilisation erweist sich jedoch häufig als nicht umweltverträglich, da sie den Einsatz und die spätere Entsorgung schädlicher Chemikalien wie Glutaraldehyd oder Ethylenoxid erfordert. Echte Recyclingstrategien müssen sowohl Sicherheitsaspekte als auch die kommerziellen Interessen der Hersteller berücksichtigen. Vor allem wenn man bedenkt, dass recycelte Produkte gemäß der EU-Verordnung über Medizinprodukte den gleichen Prüfungen unterzogen werden wie fabrikneue Produkte. Wiederverwertbarkeit und nachhaltige Herstellung sind die wichtigsten Ansätze zur Problemlösung.
Das Kooperationsprojekt HospiCycle beschäftigt sich genau mit dieser Problematik: Hier geht es darum, die Möglichkeiten des Recyclings von Kunststoffabfällen, die in einem Krankenhaus anfallen, zu untersuchen. Logistische, technische und wirtschaftliche Fragestellungen gilt es zu klären. Etwa wie das Material zentral gesammelt werden kann und welche Kunststoffabfälle sich für ein Recycling eignen. Es sollen Recyclingmöglichkeiten erarbeitet werden, die dann später auch auf andere Krankenhäuser übertragen werden können. Das Innovative dabei ist, dass mit diesem Projekt ein Recyclingkonzept erarbeitet wird, um einen bisher ungenutzten Abfallstrom an Kunststoffen aus dem Krankenhaus auf dessen Rezyklierbarkeit zu untersuchen. Damit ergibt sich – abhängig von der detaillierten Ausprägung der Stationen und Größe eines Krankenhauses – eine Vorab-Potenzialanalyse, um abschätzen zu können, inwiefern sich das getrennte Kunststoffrecycling rentiert. Konkret wird das Thema an einem definierten Krankenhaus untersucht. Diese Vorreiterrolle lässt sich aufgrund der Erfahrung und des gewonnenen Wissens anschließend relativ einfach auf andere Krankenhäuser übertragen. Als Projektpartner wirken Greiner Packaging International, die OÖ Gesundheitsholding, Walter Kunststoffe sowie das Transfercenter für Kunststofftechnik mit. Die Initiierung und Einreichung wurde intensiv vom Kunststoff- und MedizintechnikCluster begleitet. Die heimische Medizintechnikbranche ist für diese Herausforderungen gerüstet, wie Beispiele zeigen.
Ökologisch sensible Produkte, allgemein als „Bio-Produkte“ bezeichnet, sind aus einer der Nachhaltigkeit verpflichteten Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Der Trend zeigt: Immer mehr Konsumenten kaufen bewusst Bio-Produkte. Einerseits um unsere Umwelt zu schonen, andererseits um sich selbst etwas Gutes zu tun. Auf der anderen Seite der Lieferkette stehen die Produzenten von biologischen Produkten. Wer ein biozertifiziertes Produkt herstellen oder verkaufen möchte, muss sich an klare gesetzliche Richtlinien halten. Diese werden von unabhängigen und staatlich autorisierten Kontrollstellen regelmäßig überprüft. Rauscher Consumer Products, eine Tochter der internationalen L&R Gruppe, hat den Trend längst erkannt und mit dem raucosan BIO Pflaster-Portfolio eine absolute Neuheit auf den internationalen Markt gebracht. Aber was heißt „bio“ im Zusammenhang mit Wundpflastern? Alle raucosan BIO Pflaster besitzen drei wichtige Merkmale und behaupten damit ihre Einzigartigkeit. Die Wundauflage und das Trägermaterial bestehen zu 100 % aus Bio-Baumwolle, für die Klebestellen wird ein lösungsmittelfreier Klebstoff auf Wasserbasis verwendet, der frei von Harzen und Gummi ist und eigens für Medizinprodukte hergestellt wird. Das Produkt ist MDR zertifiziert und die Verpackung ist zu 100% biologisch abbaubar sowieso FSC gepfrüft.
Die COVID-19-Krise hat ganz sicher Schwachstellen offengelegt, aber auch Potenziale aufgezeigt. Fest steht: Eine Rückkehr zur alten Normalität wird es nicht geben. Der in Teilen durch die Pandemie erzwungene Wandel und die damit einhergehende Transformation fordern auch die Big Player im Gesundheitsbereich. Der Greiner-Konzern mit der Medizintechnik-Sparte Bio-One hat die Zeichen der Zeit rasch erkannt. „Die Krise ist eine große Chance für uns als Unternehmen, aber vor allem auch für die Gesellschaft und die Umwelt,“ erklärt CEO Axel Kühner und gibt Einblick in weitere Aktivitäten des Konzerns. Mit der neuen konzernweiten Nachhaltigkeitsstrategie „Blue Plan“ wurde ganz bewusst inmitten der Coronapandemie die zukünftige Entwicklung des Unternehmens bis 2030 gezeichnet. Kreislaufwirtschaft, Klimaschutz und Menschen stehen im Mittelpunkt der ambitionierten Strategie. Mit der raschen Reaktion auf die neuen Anforderungen im Bereich der Medizintechnik und der damit verbundenen Entwicklung von Produkten für die akute SARSCoV-2 Diagnostik und Impfstoffentwicklung (VACUETTE® Virus Stabilisierungsröhrchen) leistete Greiner Bio-One einen zentralen Beitrag zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie. Für den Standort Frickenhausen in Deutschland wurde das Unternehmen bereits mit einem namhaften Umweltpreis ausgezeichnet. Die Greiner Bio-One GmbH hat erstmals am EcoVadis Nachhaltigkeitsrating teilgenommen und bekam für seine Leistungen und sein Engagement die Goldmedaille verliehen. Damit gehört das Unternehmen in der Bewertung zu den besten fünf Prozent – und sogar zu den besten zwei Prozent innerhalb der eigenen Branche (Herstellung von medizinischen und zahnmedizinischen Instrumenten und Zubehör).
Bei den Handlungsoptionen sind sich alle Beteiligten einig: Neben Innovationen und Forschung bei der Wiederverwertung sind auch ein längerer Einsatz von medizintechnischen Geräten, eine intensivere Nutzung vorhandener Ressourcen und ökologische Kriterien bei Einkauf und Logistik notwendig. Wie es funktionieren könnte, demonstrierte das bereits 2006 bis 2008 durchgeführte Projekt „Das nachhaltige Krankenhaus“ im Otto-Wagner-Spital in Wien. Die von Forschungseinrichtungen begleitete Testphase zeigte, dass erst tiefgreifende Änderungen im Kerngeschäft, der Krankenbehandlung, notwendig und auch zielführend sind.